(Foto Claude Hofer)
Nach langer Zeit melde ich mich wieder mit meinem Blog. Im B/W Foto sieht ihr Francesco, er gehört zur Niemandsland Community seit der ersten Minuten der Niemandsland Geburt.
Francesco trägt eine Maske und erzählt das Drama eines Menschen, der seine Freiheit bestimmen möchtet. Auf dem Meer findet er ein neues zuhause und seine Freiheit, Auf dem Meer aber begegnet er den Tod, die Leiche von Geflüchteten, sie schwimmen tot auf seinen freien Hof.
Bei den anderen Fotos sieht ihr andere Figuren mit Masken, Fragmenten von anderen Geschichten, Fragmenten anderen Landschaften, in einer existenziellen Krise. Unser Haus, das Bühne-Haus von Niemandsland, brennt, es brennt über die Grenzen hinaus, bis auf das Meer. Die Menschen sind gefangen, sie sind auch nicht erkennbar, sie tragen eine Maske. Wer sind sie? Warum tragen sie eine Maske?
Mit unseren „Drama Loco“ Episoden wollten wir die unsichtbare Welt der Menschen ohne Status auf die Bühne bringen, sie leben hinter einer Schleier, hinter einer Grenzen die blendet, eine Grenzen die sie unsichtbar macht und wenn sie über die Grenzen laufen, tragen sie eine Maske: „Unsere Flüchtlingen“, Sans Papier, Menschen die einsam ihren Alltag knapp schaffen, Menschen mit einem armen Vermögen an Rechten. Manche Leute fanden unsere letzte Performance im Mai und Juni 2019 ein bisschen übertreiben, zu dramatisch, zu nah zu dem Schmerz, ohne diese geile Frechheit des Individuums, die Individualität die den „Stinkfinger“ zeigen kann. Die Theaterwelt liebt das. Das ist verständlich und in der Tat, wer hat es nicht gern. Wir lieben die anti-Helden die sich blutend halb tot durch eine Strasse schleppen, und doch können noch lächeln und einen guten Witz schneiden oder sogar noch eine Runde mehr flirten. Sie sind ewig schön und eben…geil. Unser, vom Niemandsland, Anti-Helden im Mai-Juni 2019 waren nicht so witzig, manchmal schon, manchmal sind wir auch charmant, unsere anti-Heldinnen von Home oder John und der singende Mahmoud, sie haben definitiv die Heldin/der Held dargestellt so wie nur in unseren Träumen gern haben: Frei und stark auch wenn sie leiden. Aber im Mai ’19 war es weniger so und unsere Masken wollten es klar machen. Am 20 Juni, am Flüchtlingstag, werden 36 Tausende Namen von Geflüchteten vorgelesen. Alle starben auf der Flucht nach Europa. Sie würden heute mit uns lachen und tanzen und den Stinkfinger der „Macht“ zeigen. Sie sind aber tot und mit ihnen sind auch die Menschenrechten gestorben.
Wo sind heute die freche geile Individualitäten von der freien wilden westlichen Welt geblieben? Sie tragen auch Masken und eventuell auch Handschuhen. Die Türen unserer Theaterwelt sind geschlossen, wer keine Subventionen hat wird hochwahrscheinlich nicht überleben. Wir selber haben fast nur Absagen von lokalen (reichen) Stiftungen bekommen. Es wird nicht lustig.
Ich warte auf einen neuen „Boccaccio, mit seinen Decamerone-Geschichten“.
Es bleibt nur die virtuelle Variante. Das scheint z.Z. unsere Gegenwart zu sein: Die Träume bleiben virtuell. Für VideokünstlerInnen ist das nichts neues. Ich aber erlebe das virtuelle Leben, als „Bühne-Variante“ immer noch unter Shock, so etwas typisch, wie nach einem Umfall.
Theater bleibt für mich, eine menschliche Erfahrung die mit „jetzt und hier“ und mit den Gefühlen produziert wird. Voll analog, wie die Beziehungen und die Begegnungen.
Aber ist es nur so? Ich habe das Gefühl, dass ein Teil der Dramatik unserer Corona-Krise wird mit Tragen von „Hygene-Masken“ (Mundschutz) inszeniert und dabei haben wir die Öffentlichkeit in eine Bühne verwandelt. Mit halb verstecken Gesichtern gehen wir spazieren, einkaufen, erledigen wir Alltagsaufgaben, gehen wir arbeiten. Unsere Begegnungen leben von dem Blickkontakt, das ist definitiv ein „Bühnenkonzept“ eine wichtige Schauspielregel. Die Augen und die Blickkommunikation verwandeln Menschen im Alltagsdarsteller*innen.
Ich hatte einen spannenden Dialog mit einer Apothekerin, sie trug einen Mundschutz, nur ihre Augen waren frei, der Stirn fast komplett von Haaren bedeckt, sie fuhr mich mit ihren Blickkontakt durch die Apotheke, ich stand unter ihrer Augenführung. Eine klare Dramaturgie.
Seit diesem Tag merke ich mich wie Menschen mit den Masken auf die Strasse laufen oder kommunizieren. Eine Gesellschaft spielt, die Körpersprache wird wichtig. Eine Lektion für alle, eine Chance für die Achtsamkeit über die Lebenssituationen von den Menschen ohne Status, ohne Sprache, die keine Gesichter haben.