Home Szene 1. Die Einführung
Der Text wird auf Arabisch von Muud gesprochen und auf Deutsch von einer Dolmetscherin „live übersetzt“. Muud und die Dolmetscherin kommen gleichzeitig auf die Bühne.
Hassen ist viel einfacher als lieben.
Wenn du einen Feind hast, das macht das Leben schnell klar und alles wird eingeordnet, dann weißt du wo die grossen Probleme liegen.
Und bei dir ist alles relativ sauber. Sauber, sauber ist es nie wirklich und das ist auch besser so…die Sache kann man intern abklären und der Prozess macht dich…uns…stark.
Wenn du einen Feind hast, kannst du auch demokratisch die Sache erledigen.
Vielleicht können sich nicht alle bei dieser Aufgabe mitbeteiligen, das ist aber kein Problem, das Volk wird eine Lösung bringen.
Schlussendlich ist es wichtig, dass wir, bei uns, mit unseren Regeln und Werten, unsere Welt, bei uns, klar halten. Die anderen müssen das akzeptieren, sonst sind sie Feinde und wir hassen Feinde.
Hassen ist einfach und klar.
Hassen macht alles stabil.
Keine dummen Veränderungen.
Alle sind anständig.
Alle reden die gleiche Sprache.
Alle kennen sich von der gleichen Schule.
Alle kennen sich von den gleichen Strassen.
Wir kennen unsere Namen und Eltern und Brüder und Schwestern… alles ist unter supi Kontrolle.
Dann haben wir auch eine klare Struktur, wer oben ist, bleibt oben, wer unten ist bleibt unten, und der Tag schliesst sich schön und ruhig und alle schlafen gut oder feiern tip top. Alle sind sicher daheim.
> AB HIER TON – UND BEWEGUNGSVERÄNDERUNGEN DER DOLMETSCHERIN
Lieben ist ein absoluter Stress. Lieben ist eine Baustelle.
Die Liebe öffnet den Tag mit einer Frage und schliesst den Abend ohne Antwort.
Die Liebe kann die Ordnung ändern, sie trägt Risiko.
Die Liebe kann sogar Menschen unnötig nachdenklich machen, unnötig mutig, unnötig gerecht, unnötig offen für fremde Sachen, unnötig experimentfreudig, unnötig mobil, unnötig non-profit orientiert, unnötig kooperativ…alles unnötig ohne Gegenleistung.
Die Liebe ist definitiv aufwendig und teuer.
Und dann hast du beim Lieben keine Feinde mehr, das ist langweilig und gefährlich, weil du ein bisschen Verantwortung trägst auch für andere Menschen, Fremde…
Sie, die Fremden, können nur profitieren davon und eines Tages sind sie die Chefs! Wenn das jemand nicht einsehen will, dann deswegen, weil sie gern mit Fremden schaffen.
Beim Lieben sind unsere Strassen und Schulen nicht mehr die gleichen. Wir selber eben sind nicht mehr die gleichen wie wir schon immer waren.
Beim Lieben ist oben und unten alles ein wischi-waschi…
Und ich bin gegangen, weil ich nicht hassen wollte, weil ich keinen Feind brauche, weil ich keinen Feind bekämpfe und jetzt bin ich hier. Ich kenne die Leute nicht, sie kennen mich auch nicht.
Die SchauspielerInnen der Szene Versammlung I kommen auf die Bühne.
Ich versuche die Liebe zu finden, wenn ich Menschen liebe und die Menschen mich lieben, das ist dann mein Home…home sweet lovely home.
Werde ich sie lieben können, werden sie mich lieben können…werden wir die Liebe wählen?
Wird unsere Liebe das Leben ändern?
Kann die Liebe neue Gesetze schreiben? Neue Regeln schreiben? Die strukturierten unsichtbaren Grenzen öffnen?
Alle sind für die Versammlung 1 bereit.
Text : Davide Maniscalco
Photographer : Claude Hofer